Das Mus, wir sagen heute Brei, zählte zu den ältesten Mehlspeisen überhaupt. Schon Hippokrates zog in einzelnen diätischen Fällen den Brei dem Brote vor. So ist überliefert, dass im antiken Griechenland und im alten Rom die einfache Bevölkerung von Getreidebrei und Gemüsebeilagen lebte. Bei einer herrschaftlichen Hochzeit in Landshut anno 1475 wird neben den Hauptgerichten wie Hühner in weisser Brühe, gebratener Kalbskopf, Wildbret, Siedfleisch, heisse Krebse etc. Auch weisses und braunes Mus als Beilage serviert.
Im 15. bis 16. Jahrhundert kam, bedingt durch die Bevölkerungsexplosion und die Privilegierung der Jagd durch den Adel und den Klerus immer weniger Fleisch auf den Tisch und die einfachere Bevölkerungsschicht musste sich immer mehr auf Mehlspeisen beschränken.
So begann der Tag mit einem kräftigen Mus, das nach der Morgenmesse von der "Musglocke" eingelaeutet wurde. Die erste Amtshandlung der Bäuerin war die Muskachel, das war meistens ein Kochtopf aus Messing mit Wasser zu füllen und sobald dasselbe kochte, das Musmehl einzurühren. Unter ständigem Rühren wurde ein dicker Brei, fest wie eine Grütze, gekocht. Auf der Alb und darüber hinaus wurde das Morgenessen aus gemahlenem, angeröstetem Dinkel bereitet. Er war als "Schwarzer Brei" oder "Brennt's Mus" bekannt. Dabei war er nicht schwarz, sondern eher appetitlich braun. Und er wurde nicht nur zum Frühstück serviert, sondern auch als Beilage zum Fleisch. Also eine Art deutsche Polenta. Bevor sich das Brot als Vesper durchsetzte, nahmen die Bauern das Mus in "Saublodra" verpackt mit zur Arbeit aufs Feld. Damit das Mus besser hinunterrutschte und mehr Energie für die schwere Arbeit lieferte, wurde es kurz vor dem Essen mit einer kräftigen Portion ausgelassenem Schweineschmalz abgeschmelzt.
Nicht selten gab es dazu Sauerkraut, das meistens auf dem Herd dahinkoechelte. Nicht umsonst hiess es auf der Alb: "'s Mus isch erscht guat, wenn's richtig gscbmalzat isch". Nach dem Dreissigjährigen Krieg und den anschliessenden Hungerjahren war man vielerorts froh, wenn wenigstens ein Saunabel über dem Tisch hing, um den Löffel einzufetten.
Bis in unser Jahrhundert hinein wurde die Muskachel auf den Tisch gestellt und gemeinsam das Mus verzehrt. Der lästige Abwasch war damals noch ein Fremdwort, denn den Löffel hängte jeder an einem Lederriemen an seinem Tischplatz auf.
Mit der Zeit entwickelten sich natürlich auch regional verschiedene Zubereitungsarten, wie z.B. Mus aus geröstetem Weizen- oder Hafermehl. So kommt aus der Heidenheimer Gegend der "Häberne Brei".
Das Wasser wurde teilweise durch Milch ersetzt. Das Mus wurde noch verfeinert, indem man Grieben oder Brotwürfel darüber streute. Für Kleinkinder wurde ein spezieller "weisser Brei" aus feingeschrotetem Mehl gekocht.
Ein unverzichtbares Gerät beim Musessen war der "Pfannenknecht", eine Art Untersetzer, auf dem die Muskachel auf den Tisch gestellt wurde. Nicht selten benutzte man ihn zum Aufwärmen der Speisen auf dem Felde. Als das Mus im letzten Jahrhundert mehr und mehr vom Brot und dem neumodischen Kaffee abgelöst wurde, neckte man die armen Musesser gern als Musbaeuch, Musfresser, Kleiafresser oder Kleiabeitel. Um jemand zu ärgern, spottete man: "Dir henses Muas au mit dr Schaufel gfuttert", was wohl auf ein breites Mundwerk hindeutete. Das nahrhafte Mus begleitete uns also durch die Jahrhunderte und galt noch im Mittelalter als die Nahrung schlechthin. Noch Anfang unseres Jahrhunderts war es bei Handwerkern, Arbeitern und Bauern als Morgenspeise vielerorts geschätzt. War es doch so nahrhaft, dass es der arbeitenden Bevölkerung stundenlang genügend Energie für ihre Arbeit lieferte. Und viele unserer gestressten Mitbuerger haben den Getreidebrei wiederentdeckt und geniessen ihr "Müsli" warm oder kalt in verschiedenen Ausfuehr ungen.
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