Bei Blüte denken Sie an einen Strauss Rosen, an den weissen Flor der Kirschen im März, an Klatschmohn und Kornblumen? Aber doch nicht an Reben! Natürlich blühen Reben auch - aber wer hat das je gesehen? Unsere Studiorebe "Laurenz" hilft uns weiter: im Mai hat er den grössten Wachstumsschub erlebt. (Obwohl er dadurch, dass wir ihn erst im Winter ausgegraben hatten und dabei viele Wurzeln zerstört haben, deutlich weniger üppig ausfällt als viele Reben in der Natur) Und er hat auch dabei schon die Anlagen für die späteren Trauben angelegt. Deutlich sichtbare Miniatur-Ausgaben.
Stecknadelkopf-grosse Beeren nur. An denen beobachten wir jetzt etwas interessantes: gelbe Fädchen.
Die Blüte: Botanisch gesehen, gehören die Rebblueten, auch Gescheine genannt, zu den Rispen. Am Ende jeder Verzweigungsstelle sitzen die einzelnen Blütchen, deren Zahl je nach Sorte und Jahr unterschiedlich sein kann (100 bis 200). Die Blüten unserer Ertragssorten sind meist zwittrig, das heisst, am gleichen Blütchen befinden sich sowohl weibliche wie auch männliche Geschlechtsorgane. Die ganze Blüte wird von den grünen Kronblättern umhüllt, die beim Aufbluehen als Käppchen abspringen. Der Vorgang ist nur bei genauem Hinsehen zu beobachten und dauert etwa 3-8 Tage.
Es wird nicht alles Frucht was blüht...
Die Blüte ist bei der Rebe sehr empfindlich. Kälte, Regen, Wind, es gibt viele Gründe, warum längst nicht aus jeder Blüte eine Beere wird. Nur etwa die Hälfte entwickelt sich zu Früchten. Der Rest "verrieselt", wie die Winzer sagen. In schlechten Jahren kann das auch mehr sein. Die Blüte und die Bedingungen unter denen sie stattfindet ist also ein ganz entscheidender Punkt für den Ertrag eines Jahrgangs.
Gefahren wohin man schaut: Unsere Rebe hat in den vergangenen Wochen schwer unter dem echten Mehltau gelitten. Die Pilzkrankheit hat die Triebspitzen mit einem weissen Gespinst überzogen und dafür gesorgt, dass sie verkrueppelten und eintrockneten. Mit Netzschwefel (einer speziellen Art von Schwefel) und später mit einem anderen Pflanzenschutzmittel mit einer gewissen heilenden Wirkung haben wir - ziemlich mühsam - die Lage in den Griff bekommen. Es zeigt sich aber: die Rebe ist eine empfindliche Pflanze und ohne jede menschliche Hilfe wäre wohl das Ende ziemlich nahe gewesen. Jetzt direkt nach der Blüte werden der falsche und der echte Mehltau (Peronospora und Oidium) erneut bekämpft, damit die jungen Früchte nicht befallen werden.
Arbeiten am Stock: Jetzt müssen die immer länger werdenden Triebe immer wieder zwischen die Drähte gesteckt werden, damit sie nicht durch den Wind abbrechen. In der Praxis draussen im Weinberg, wird auch das Unkraut unter den Stöcken entfernt (meistens mit Herbiziden, seltener mechanisch).
Die Sache mit dem Wasser: Immer mehr Weinberge sind ansonsten - zwischen den Rebzeilen - begrünt. Das sieht schön aus, bietet den Insekten Nahrung und die Winzer können besser in die Weinberge reinfahren. Allerdings kann unter extremen Bedingungen die Begrünung zum Wasserkonkurrenten für die Rebe werden. Dann brechen die Winzer den Boden flach um.
Sie zerstören damit die Kapillaren, durch die das Grundwasser nach oben aufsteigt und verdunstet. Ganz neu ist für deutsche Winzer die Möglichkeit, Weinberge auch zu bewaessern. Sie haben argumentiert, dass mit den Klimaveränderungen der vergangenen Jahrzehnte der Trockenstress immer grösser geworden ist. Damit leide auch die Qualität. Ein bisschen Wasser zur rechten Zeit sei eine qualitaetssichernde Massnahme. Vor allem in den Steilhängen. Allerdings: zuviel Wasser zur unrechten kann die Erträge auch gewaltig in die Höhe schrauben und dann geht die Qualität in den Keller. Eine nicht unproblematische Möglichkeit.
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