_Zuckerblasen gezeigt am Beispiel eines Schwanenpaares_
Lange bevor Schokolade in Europa beliebtes Naschwerk wurde, formten Zuckerbäcker bei Hofe ausgefallene Kunstwerke: Tiere, Blumen oder Bauwerke waren beliebte Sujets. Heute beherrschen nur noch wenige Konditoren die Kunst des Zuckerziehens, -blasens und -giessens. Selbst gekochter Zucker wird erhitzt und dann mittels Spiritusbrenner und viel Kreativität zu opulenten Schaustücken verarbeitet, in unserem Fall ein stattliches Schwanenpaar.
_Kleine Geschichte der Zuckerbäcker-Kunst_
Die Geschichte des Zuckerziehens und -blasens begann in den fürstlichen Höfen und Herrschaftshaeusern. Die Hofkoeche und -koechinnen waren immer auf der Suche nach neuen Themen und Techniken, um ihren Arbeiten eine kreative Note zu geben. Zuerst nahm man mit frischen Blüten, die mit Zucker behandelt wurden, vorlieb. Später im 17. Jahrhundert wurde in den spanischen Höfen der wertvolle Rohstoff Zucker eingekocht und mit diesen eingekochten Zuckerstücken schmückte man dann die Büfetts dieser Herrschaftshaeuser. Das Zuckerkochen wurde mit der Zeit immer mehr perfektioniert, bis erste, kleine aus Zucker gegossene Schaustücke entstanden. Diese Technik wurde abermals verfeinert und Anfang des 18. Jahrhunderts wurden die ersten aus Zucker gezogenen Elemente auf adeligen Büfetts präsentiert.
Der Zuckerbäcker benötigte für die Herstellung seiner dekorativen Meisterwerke umfangreiche Fähigkeiten als Maler, Zeichner, Modellierer, Architekt, Bildhauer und Blumenmaler. Mit Hilfe von Zucker entstanden Kunstwerke von beliebiger Grösse und Gestalt (Tiere, Bauwerke, Gebrauchgegenstaende usw.). Die zuckernen Schaustücke wurden bei grossen Banketten zwischen einzelnen Gängen gezeigt und bildeten zumeist den krönenden Abschluss der Festivitäten. In der Regel wurden sie aber nicht nur bestaunt, sondern auch verspeist. Wegen seines hohen Preises galt Zucker als absolutes Statussymbol.
Nachdem Zucker aus der heimischen Zuckerrübe hergestellt werden konnte, verblasste auch ein wenig diese Kunst bei Hofe.
Im Jahr 1906 dokumentierte Erich Weber aus Dresden - der wahrscheinlich genialste Konditor des letzten Jahrhunderts - zum ersten Mal die Kunst des Zuckerblasens in seinem Buch "Prakoku" (Praktische Konditorenkunst). Es handelte sich dabei um einen einfachen, aus Zucker geblasenen Kaktus. Bis zum 2. Weltkrieg war Zucker blasen und ziehen in ganz Deutschland eine beliebte Verarbeitungsmethode für Zuckerschaustuecke.
Nach dem 2. Weltkrieg war im kriegsgeschaedigten Deutschland der Rohstoff Zucker zu teuer, um ihn für "sinnlose" Zuckerkreationen zu vergeuden und somit ging diese Technik des Zuckerblasens und -ziehens verloren. Nur in der Schweiz blieben diese Techniken in Konditoreien und Confiserien weiter erhalten.
In den 70er Jahren lebte diese Kunst wieder auf, ausgehend von einem Schweizer Zuckerkuenstler. Viele seiner Schüler demonstrieren nun selbst diese Techniken des Zuckerziehens, -blasens und -giessens in Dekor- und Patisserieschulen. In Zuckerkursen für Anfänger wird selbst gekochter Zucker zubereitet und die Kursteilnehmer lernen, ihn fachgerecht zu verarbeiten. Aus diesem gekochten Zucker lassen sich dann geblasene Früchte und geblasene Tiere herstellen.
_Das Zuckerblasen_
Egal ob es sich um ein Korpus bei Figuren, eine Frucht oder gar einen technischen Gegenstand wie ein Auto handelt, jedes Mal muss der Zuckerkuenstler ein "Hohlkörper" herstellen. Dieser wird dann mit der Technik des Blasens oder Ziehens variiert. Die Grundlage geblasener Gebilde ist immer eine gleichmässige Kugel, deren dünne Zuckerwand mittels Fön rasch abgekühlt wird. Sei es ein rundes Objekt wie ein Apfel oder ein längliches wie ein Schwan oder ein Fisch, die Kugel muss von Beginn gleichmässig gedehnt werden.
Als Hilfsmittel verwendet man einen Bunsenbrenner und eine Art Blasrohr, um ähnlich wie beim Glasblasen die Masse erwärmen und formen zu können. Mit verschiedenen Techniken wird dann das gewünschte Objekt in Form gebracht.
Sollen die Figuren bunt werden, nimmt man Lebensmittelfarben und bemalt sie mit einem Pinsel oder bei grösseren Flächen mit dem Airbrush.
Experte im Studio: Joachim Habiger, Zucker-Artist aus Stuttgart Fellbach
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