O-Ton Scherer: "Er ist mein Lieblingskaese mit Abstand. Ich esse einen, wo immer ich einen kriegen kann."
Sprecher: Wenn er gerade keinen Käse isst, dann widmet sich der Mikrobiologe Siegfried Scherer gefährlichen Bakterien, die gar nicht so selten in Käsesorten wie dem Limburger vorkommen: den Listerien. In den Usa sterben jedes Jahr 500 Menschen an den Folgen von Listerien-Infektionen. Doch gegen sie gibt es neue Strategien. Hn berichtet. Vor ein paar Jahren hat Siegfried Scherer eingekauft: verschiedene Sorten Raclette, Weichkäse wie Brie und Camenbert, und natürlich Limburger und andere Sorten Rotschmierekäse. Ausnahmsweise einmal nicht zum Essen, sondern für sein Labor an der Tu München in Weihenstephan. Das Ergebnis war erschreckend: Jede elfte Käseprobe enthielt einen Keim namens Listeria monocytogenes - ein Bakterium, das für bestimmte Menschen gefährlich sein kann.
O-Ton: "Das sind die jungen Menschen, die alten Menschen, schwangere Frauen und Leute, die eine Immunkrankheit haben, deren Abwehrsystem geschwaecht ist. Die werden besonders befallen von dem Erreger, und da kommt es zu wirklich heftigen Folgen: Wir haben 30 bis 40 Prozent Todesfaelle bei diesen Risikopersonen."
Sprecher: Dass Listerien so häufig vorkommen, hat damit zu tun, dass Käse kein steriles Lebensmittel ist. Um ihn herzustellen, brauchen die Molkereien Bakterien, und es ist kaum zu vermeiden, dass sich Arten einschleichen, die unerwünscht sind.
O-Ton: "Ich würde vermutlich in jedem Betrieb irgendwo im Gulli, auf dem Boden oder in Kondenswasser Listerien finden, wenn ich lange genug suche. Und da besteht immer ein Restrisiko, dass es von diesem Umfeld im Betrieb tatsächlich aufs Lebensmittel kommt."
Sprecher: Hygiene ist deshalb das Gebot Nummer eins in Molkereien. Ausserdem würden sich die Käsehersteller wünschen, es gäbe die Möglichkeit, Listerien rasch und effektiv zu bekämpfen. Bisher bleibt nämlich nichts anderes übrig, als den betroffenen Teil des Betriebs zu schliessen und völlig zu sterilisieren. Als Alternative entwickelt Siegfried Scherer entwickelt sozusagen biologische Schädlingsbekämpfungsmethoden. Er nutzt dazu die natürlichen Feinde der Listerien.
O-Ton: "In der Bakterienwelt findet man an allen Ecken und Enden eine chemische Kriegsfuehrung. Die Bakterien bekämpfen sich untereinander gewissermassen, bilden dafür aber keine Antibiotika, sondern grössere Proteine, die man Bakteriozine nennt. Es gibt eine Reihe von Bakteriozinen, die vielversprechend sind, und inzwischen sogar ein Produkt, das auf dem Markt ist: Wenn ein Betrieb wirklich Probleme hat, wird eine Milchsäurebakterienkultur eingesetzt. Die bildet so ein Bakteriozin, und dann werden die Listerien - wenn man Glück hat - abgetötet."
Sprecher: Für Menschen sind die Chemiewaffen der Bakterien ungiftig. Mit einer sehr grossen Menge dieser Listerien werden aber auch die Bakteriozine nicht fertig. Eine zweite Möglichkeit, die Listerien zu bekämpfen, wird an der Eth Zürich entwickelt: Viren, so genannte Bakteriophagen, greifen die Bakterien an und zerstören sie. Auch sie können Menschen nichts anhaben.
O-Ton: "Man könnte den Käse damit besprühen, aber wenn man einen Rotschmierekäse hat, ist es einfacher, dass man die Bakteriophagen oder die Bakteriozinbildner in die Salzlösung einbringt, in die diese Käse getaucht werden. Wir sagen, die werden "geschmiert" in dieser Salzlösung. Da sind die Reifungsbakterien drin, die machen den Käse rötlich oder gelblich. In die Lösung tut man das mit dazu, und dann passiert das so nebenbei."
Sprecher: Manche Molkerei scheint übrigens gegen Listerien völlig gefeit zu sein. Denn auch unter den Bakterienarten, die zur Käsereifung eingesetzt werden, finden sich manchmal welche, die Listerien abtöten.
O-Ton: "Man macht sich da keine Vorstellung: Auf so einem rot geschmierten Käse sind Hunderte von Bakterienstämmen drauf ganz unterschiedlicher Art. Die sind in einem Mini-Ökosystem zusammen und interagieren auf unbekannte Weise miteinander, und die sind in jedem Betrieb, in jedem Käse unterschiedlich. Und darunter gibt es welche, das sind richtige Listerienkiller. Wir wissen aber nicht, warum. Wenn wir das wüssten und uns dieses natürliche Prinzip zu Nutze machen könnten, das wäre der Königsweg in der praeventiven Bekämpfung von Listerien."
Sprecher: Warum manche Käsekulturen einen natürlichen Schutz vor Listerien gewähren und andere nicht, das hofft Siegfried Scherer schon bald herauszufinden. Und er arbeitet auch daran, den gefährlichen Keim schneller als bisher nachzuweisen. Das dauert bisher nämlich mehrere Tage, und bis das Ergebnis da ist, hat der Käse die Molkerei längst verlassen. Der gefährdeten Bevölkerungsgruppe empfiehlt der Käseliebhaber Scherer deshalb:
O-Ton: "Bei den schwangeren Frauen sollte man doch warnen, während der Schwangerschaft auf diese Käse zu verzichten."
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