_Begrifflich..._
Federweisser ist im strengen Sinne der fast durchgegorene, nur noch trübe Wein. Was heute meistens verkauft wird, ist eher "Bitzler", "Susser" oder "Sauser", also ein nur halb angegorener, noch sehr süsser Most.
_Historisch..._
Der Federweisse galt offenbar schon immer als etwas Besonderes: in einer Verordnung des Fürstbischofs von Speyer (1739) werden die Wirte aufgefordert "ernstlich anzumahnen, dass jedermann, dem sein Leben lieb, ..., solchen unvergorenen Wein so wenig möglich in Leib zu schütten." Und ein Autor des späten 18.Jahrhunderts erzählt, die Pfälzer seien ein viertel Jahr nach der Lese praktisch in einem einzigen Dauer-Rausch gewesen - überwiegend vom Federweissen.
In Heilbronn war ab 1760 der Verkauf von unfertigen Weinen sogar verboten. Man muss sich vor Augen halten, dass damals der fertige Wein in aller Regel sehr trocken war, meist sogar ausgesprochen sauer. Der noch süsse Federweisse war einfach eine Delikatesse.
_Medizinisch..._
Damals wie heute haben die Geniesser den Federweissen oft unterschätzt. Auch wenn er weniger Alkohol enthält als fertiger Wein, wird dieser doch wegen der hohen Kohlensäurefracht schnell ins Blut gebracht. Ausserdem läuft die Gärung im Körper weiter. Das kann die Verdauung doch erheblich in Unordnung bringen. Andererseits: wenn er so richtig gärt, enthält Federweisser am meisten lebende biochemisch aktive Hefezellen und Milchsäurebakterien sowie viel Vitamin B1 und B2. Das ist eine Kur für Hefe, Haut und Haare, entschlackend und verdauungsfördernd.
_Wirtschaftlich..._
Federweisser ist ein gutes Geschäft für die Winzer. Sie haben schon kurz nach der Lese ohne grossen Aufwand ihr Geld in der Kasse. Zudem wird für Federweissen vielfach mehr gezahlt als für fertigen Wein. Allerdings muss der Winzer Kühlmöglichkeiten und vor allem Absatzkanaele haben, er muss zuverlaessig über einen bestimmten Zeitraum Federweissen in jedem Stadium und grösseren Mengen anbieten können. Die Verbraucher verlangen zudem filtrierte Produkte, die keine groben Tresterteile mehr enthalten - alles in allem ein Geschäft für Spezialisten.
Die deutschen Winzer haben es vor gut 10 Jahren erst für sich entdeckt. Vorher gab es fast ausschliesslich italienischen auf dem Markt. Damals wurde aber in Deutschland die Mengenbeschraenkung bei Wein eingeführt und Federweisser lässt sich gut am Gesetz vorbei verkaufen.
Um den Markt ähnlich früh wie die Südeuropäer bedienen zu können, werden schon im August sehr frühreife Trauben geerntet. Das sind Sorten, die in diesem Stadium kaum zu einem vernünftign Wein werden würden, aber sie werden ja auch vorher schon weggetrunken. Erst im Laufe des September kommt dann Federweisser dazu, der wirklich ein Nebenprodukt der echten Weinherstellung ist.
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