"In meinem Kopf ist es süss": Der Franzose Pierre Hermé ist der Star unter den Pâtisserie-Künstlern. Für die neue "Larousse Schokolade" hat er die Rezepte zusammengestellt.
Kölner Stadt-Anzeiger: Herr Hermé, Sie haben dem Salz in der Konditorkunst eine Hauptrolle gegeben und sie auch damit modernisiert.
Pierre Herme: Salz gibt dem Zucker die Balance. Bei einer Millefeuille, einer Cremeschnitte, ist der Blätterteig mit Salz gewürzt. Nur in der Creme ist Zucker enthalten. Dieses Zusammenspiel zu verstehen war die Basis für meine Arbeit.
Kölner Stadt-Anzeiger: Heute sind Schokoladen mit Chili oder Pfeffer-Schärfe Standard. Was ist der neue Trend?
Pierre Herme:: In meiner aktuellen Kollektion arbeite ich mit Balsamico und Trüffeln. Da sehen Sie übrigens wieder die Kombination süss/salzig. Der 25 Jahre alte Balsamico bringt die Süsse, hat aber auch etwas Säuerliches. Die Kombination eines Périgord-Trüffels mit etwas Süssem ist ungewöhnlich. Aber in der Haute Cuisine hat es sie schon oft gegeben, etwa als Eis mit Trüffeln. Aber als neuer Trend? Das kann ich nicht sagen. Ich mache immer das, auf was ich gerade Lust habe.
Kölner Stadt-Anzeiger: Und auf was haben Sie Lust?
Pierre Herme: Ich habe gerade einen Kuchen entworfen mit Erbsen, Mais, Malz und Minze. Alles kommt in einer wunderbaren Aromen- und Texturen-Verbindung zusammen. Meine Arbeit ist immer eine Kombination aus Geschmack, Temperatur und Textur. Die Erbsen in einer Mascarpone-Creme sind weich. Darin gibt es krosse Krokant-Stückchen und obendrauf liegen Minzgelee-Würfel. Seit Jahren will ich etwas mit Erbsen machen. Für mich sind sie nur süss. In meinem Kopf muss es immer süss sein.
Kölner Stadt-Anzeiger: Sie entwerfen wie ein Designer seit 20 Jahren saisonale Kollektionen. Was inspiriert Sie? Pierre Herme: Ich probiere alles, die Technik der Küche kann genauso Inspiration sein, wie die Haute Cuisine oder Fast Food. Auch das ist für mich interessant. Ich speichere alles in meinem Kopf, und auf diese "Bibliothèque mentale" greife ich dann zurück.
Kölner Stadt-Anzeiger: Erinnern Sie sich an besondere Geschmacksmomente? Pierre Herme: Eine Butter aus einer kleinen Laiterie in der Gegend von Charentes - das war etwas ganz Besonderes. Die beste Butter, die ich je gegessen habe. Jetzt benutze ich sie in meiner Küche. Und in der Toskana habe ich vor sieben Jahren eine Schokolade aus Porcelana Bohnen probiert. Der Geschmack hat sich über 10, 15 Minuten im Mund entwickelt und entfaltet. Unvergleichlich! Momentan experimentiere ich auch mit Rhabarber und Passionsfrucht.
Kölner Stadt-Anzeiger: Für den "Larousse" haben Sie eigene und Kreationen von anderen führenden Pâtissiers zusammengetragen.
Gelingen die auch Nichtprofis? Pierre Herme: Die Rezepte haben unterschiedliche Schwierigkeitsgrade. Ich habe meine Küchenpraxis sozusagen übersetzen lassen in eine nachkochbare Form. Aber man muss sich für die Konditorei Zeit nehmen. Manche Zubereitung beginnt an einem Tag und wird am nächsten Tag erst weitergeführt.
Kölner Stadt-Anzeiger: Was ist neben Geduld wichtig?
Pierre Herme: Ein Rezept hat dann Erfolg, wenn es wirklich zunächst ganz gelesen wird. Produkte einfach zu ersetzen, weil sie nicht vorrätig sind, ist meistens keine gelungene Lösung. Zudem ist Schokolade sehr temperaturempfindlich. Sie darf nicht zu hoch erhitzt werden, man muss den Daumen noch hineinhalten können. Der grösste Feind der Schokolade ist Wasser. Wasser kann Schokolade unverwertbar machen.
Kölner Stadt-Anzeiger: Um hohe Kalorienzahlen kommt man nicht herum. Was sagen Sie Frauen, die Angst vor Ihren Kreationen haben? Pierre Herme: Nun ja, gegen den Hunger sollte man Pâtisserie nicht essen. Essen Sie sie nur zu Ihrem Vergnügen! Interview: Maria Bueche Pierre Hermé (46) gilt seit Jahren international als Avantgardist der Feinbäckerei _Buch_ Ein "Larousse" ist nicht irgendein Buch. Die Publikationen des französischen Verlags gelten oft als Standardwerke, und wer in seiner Schul- oder Studienzeit jemals etwas mit Französisch zu tun hatte, dem ist der Name des Wörterbuchs "Petit La- rousse" zumindest geläufig. Nichts weniger als ein Standardwerk will auch der "Larousse Schokolade" sein, der im Christian-Verlag zwei Jahre nach der französischen Ausgabe erschienen ist. Und kein geringerer als Pierre Hermé, ein mit Superlativen überhäuften Star-Pâtissier mit Boutiquen in Paris und Tokio, hat insgesamt 380 eigene Rezepte und die führender Kollegen gesammelt und in Laien-Lesbarkeit übersetzen lassen. Unter der Rubrik "Ganz einfach" firmieren verfeinerte Klassiker wie die hier vorgestellten Brownies mit Pistazien. Ganz so spielend kommt man mit Kreationen wie der "Gebratenen Entenstopfleber mit Kakaokruste und Schokoladen-Jus" freilich nicht mehr klar. Hilfestellung für Ungeübtere geben Kapitel wie "Küchenpraxis und Warenkunde" oder "Grundtechniken des Chocolatiers". Eine kleine Kulturgeschichte zur Schokolade steht dem umfangreichen Rezeptteil samt Aromenfamilie voran. Ein üppiges Werk mit hohem Genussfaktor. (bue) Larousse Schokolade
Rezepte: Zartschmelzende Schokoladenbiskuits Brownies mit Pistazien
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